Flüchtige Punkte: Entstehung und Pflege des Schweizer Triangulationsnetzes

13. Dic.. 2021

Landesvermesser auf dem Chasseral, 1921. Die "Pyramide" signalisiert den dortigen Triangulationspunkt (swisstopo Bildsammlung, Inv. Nr. 000-389-722).

Im frühen 20. Jahrhundert wuchs die Zahl der Schweizer Triangulationspunkte rasant. Landestopografie und Kantone scheuten keine Mühen, um die wertvollen Punkte langfristig auffindbar, sichtbar und unverrückbar zu machen.

«Im nordöstlichen Teil des Plateaus, ca. 35 m südöstl. des grossen, zweiteiligen Kirschbaums.» «Vor der westlichen Hausecke der Brennerei.» «Unter dem Bohnengarten und oberhalb der Grube.»

Diese geheimnisvollen Anweisungen verraten nicht, wo man nach einem verborgenen Schatz graben sollte; auch dienten sie keinem Liebespaar als Wegweiser zum heimlichen Treffpunkt. Vielmehr führten unzählige solcher Notizen die Geodäten der Landestopografie zu einzelnen Fixpunkten des Schweizer Triangulationsnetzes. Über das ganze Land verstreut waren sie zu Tausenden mit Bolzen, Steinen und Signalen markiert.

Auffinden

Bei den Triangulationsarbeiten zur Dufourkarte zwischen 1809 und 1840 hatten die Ingenieure keine Punktprotokolle angefertigt. Es gab also keine Verzeichnisse, in denen sich nachschlagen liess, wo sich ein Triangulationspunkt genau befand und wie man zu ihm gelangte. Zwar waren vor Ort Steine oder Holzsignale vorhanden, um Triangulationspunkte eindeutig zu verorten. Doch glichen diese unscheinbaren Objekte im offenen Gelände oft der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Bei Nachmessungen und Verdichtungen des bestehenden Netzes führte dieser Umstand bald zu Schwierigkeiten.

Aus den früheren Versäumnissen zogen die Ingenieure der Geodätischen Kommission, des Bunds und der Kantone die richtigen Schlüsse: Bei den Triangulationen I. bis IV. Ordnung fertigten sie Versicherungsprotokolle an, die dabei halfen, einen Fixpunkt wiederzufinden. Diese Findmittel bestanden meist aus einer Koordinatenangabe, einem handgezeichneten Lageplan sowie aus einer ausformulierten Wegbeschreibung: «Sur le bord sud de la route cantonale, vis à vis du clocheton» konnte eine entscheidende Information sein, um einen Triangulationspunkt im Feld wiederzufinden. Oft ergänzten Fotografien die Dokumentation.

Sichtbar machen

Einmal aufgefunden, musste zwischen den einzelnen Punkten des Triangulationsnetzes eine Sichtverbindung bestehen. Nur so konnten Geodäten die Punkte mit dem Theodoliten anvisieren und Winkel ausmessen. Um die Sichtverbindung zu gewährleisten, gab es unterschiedliche Hilfsmittel. Einerseits stellten die Vermesser Signale auf, die exakt über einem Triangulationspunkt positioniert waren. Die bekanntesten sind wohl die sogenannten Pyramiden, die auch heute noch so manchen Schweizer Gipfel krönen. Ebenfalls landschaftsprägend sind Beobachtungstürme mit ihren Signalen, Sie waren beispielsweise erforderlich, wenn ein Wald den Blick auf einen Triangulationspunkt verstellte. Aber auch hölzerne Strukturen und sogenannte Steinmänner konnten als Träger von Signalen dabei helfen, einen Triangulationspunkt von weither sichtbar zu machen.

Während des eigentlichen Vermessungsprozesses konnten die Geodäten zudem ein Instrument verwenden, das zusätzliche Sichtbarkeit herstellte. Mit sogenannten Heliotropen spiegelten Vermesser am Zielpunkt das Sonnenlicht in Richtung des Ausgangspunkts, wo ihr Kollege mit einem Theodolit positioniert war. Dank dieses Hilfsmittels liess sich ein Fixpunkt auch bei dunstiger Witterung und aus weiter Entfernung anpeilen.

Landesvermessung 1995 (LV95): satellitengestützte Modernisierung

Die Triangulationen I. bis IV. Ordnung bildeten während knapp hundert Jahren die geodätische Grundlage der Schweizer Kartenwerke. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten verbesserte Möglichkeiten der Distanzmessung jedoch ergeben, dass das bewährte Triangulationsnetz Verzerrungen von bis zu 1.6 m aufwies.

Zwischen 1988 und 1995 baute die Landestopografie deshalb eine neue geodätische Grundlage auf, die zwar auf dem bestehenden Netz fusste, dank Satellitentriangulation aber weitaus genauer war. Die Lagegenauigkeit der Punkte belief sich nun auf 1-2 cm. Die LV95 verband neuartige Technologien mit bestehenden Arbeiten, womit nicht zuletzt auch eine Brücke zwischen analogen und digitalen Vermessungspraktiken gebaut wurde.

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