Die Schweiz auf Glas

08. Feb.. 2024

Glasgravurplatte Dents de Morcles W, 1960

Um 1950 stand die Landestopografie in der Kritik. Die Herstellung der Karten sei zu teuer und zu kompliziert. Karten wurden damals aus einer Mischung von neuen und sehr alten Reproduktionstechniken hergestellt. Mit dem eigens entwickelten Verfahren der Schichtgravur auf Glas gelang der Befreiungsschlag.

Die ersten amtlichen Karten der Schweiz waren ein exklusives Produkt. Trotz bundesrätlich verordneter Preisreduktion kostete 1861 ein Blatt der Dufourkarte – dem damals aktuellen Kartenwerk – im Schnitt etwas über 3 Franken. Für diesen Betrag konnten in Zürich 6 kg bestes Rindfleisch gekauft werden. Ihr hoher Preis machte die amtlichen Karten für viele Schweizerinnen und Schweizer unerschwinglich; sie waren in erster Linie für Behörden und das Militär bestimmt.

Für die Genauigkeitsansprüche der Landestopografie war der Umdruck eine Katastrophe: Ein angefeuchtetes Blatt verzog die genauen Daten der Kartenoriginale im Druckprozess. Die Drucktechniker der Landestopografie verbesserten in den 1940er Jahren das Umdruckverfahren zwar qualitativ und verringerten durch neue Trägermaterialien die Abweichungen. Das gesamte Verfahren der Kartenherstellung blieb aber kompliziert und damit teuer.

Kritik an der Landestopografie

Zu teuer, fanden einige. Die Bundesfinanzen waren nach dem Zweiten Weltkrieg in Schieflage und die ganze Verwaltung suchte nach Sparmöglichkeiten. Der vom Bundesrat für ein Gutachten beigezogene Kartografieprofessor Eduard Imhof kritisierte 1949 insbesondere doppelspuriges Arbeiten in der Originalherstellung:

Sparexpertise E.M.D., Eidg. Landestopographie, 26. März 1949

Die Reinzeichnung einer Stichvorlage für 1 Normalblatt in der von uns beanstandeten Superqualität beansprucht einen Kartograph ca. 1 ¼ Jahre. Zum Stich im Kupfer bedarf ein Kupferstecher nochmals 1 ½ Jahre. Der eine oder der andere Arbeitsprozesse sollte ausgeschaltet oder mindestens eingeschränkt werden.

Imhof schlug vor, verstärkt auf das sogenannte Direkte Verfahren zu setzen. Hier wurde das von den Kartografen gezeichnete Kartenblatt direkt auf die Druckplatte kopiert. Die Kupfergravur zum Zweck der Originalherstellung wurde also ausgelassen, die gezeichnete Karte auf Papier war nun das Original. Imhof propagierte deshalb die mittelfristige Umschulung der Graveure zu Kartenzeichern.

Auch wenn die Landestopografie vorerst mitspielte und dem Bundesrat von der Umsetzung der Sparvorschläge berichtete, blieben einige Fragen offen. Mit den Graveuren sollte eine ganze Berufsgruppe, die seit 1838 in der Kartenherstellung zentral war, verschwinden. Und konnte das Direkte Verfahren tatsächlich den Ansprüchen der Landestopografie genügen? Bezüglich Masshaltigkeit und Langlebigkeit wurde der Originalträger Papier gegenüber dem Kupfer als Rückschritt angesehen. Und auch ein mit Tusche gezeichneter Strich auf Papier konnte doch nicht so scharf wie eine gravierte Linie in Kupfer sein?

Gleichzeitig war in dieser Phase der Weichenstellungen auch auf Kundenseite das Bedürfnis nach guten und günstigen Karten vorhanden. Waren die exklusiven Karten des 19. Jahrhunderts noch eine wichtige Grundlage für die Infrastrukturprojekte der Gründerzeit, wurden Karten ab 1950 mit gesteigertem Lebensstandard zu einer Grundlage des Tourismus und der Freizeitplanung.

Eine Technik für fast ein halbes Jahrhundert

In den 1950er Jahren war es der Landestopografie also tatsächlich gelungen, ihr Verfahren der Kartenreproduktion qualitativ zu verbessern und gleichzeitig kosteneffizient zu arbeiten. Dies erlaubte auch eine andere Preisgestaltung. Ein Kartenblatt der Landeskarte 1:25 000 kostete um 1960 3.50 Franken. Inflationsbereinigt wären das heute 15 Franken. Auch mit den gewachsenen Auflagen vermochte das Verfahren Schritt zu halten. 1963 wurden 1'101'700 Kartenexemplare verkauft, dazu kam noch einmal eine knappe Million Blätter für die Armee. Karten waren zu einem Gut geworden, das weit über die Amtstuben hinaus Verbreitung gefunden hatte.

Ihr Ende fand die Schichtgravur auf Glas wegen einem erneuten Technologiewechsel. Die Einführung der computerbasierten Kartografie 2001 bedeutete das endgültige Aus für die Glasgravur und das Gravurhandwerk im Allgemeinen.

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