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46° 39´ 9´´ N, 9° 21´ 28´´ O

Die Arbeit im Hochgebirge

Geschichte der Dufourkarte

Raphael Ritz: Ingenieure im Gebirge, 1870 (Kunsthaus Zürich, Legat des Malers Rudolf Holzhalb, 1886 / "Sandstein", Wikimedia).

Wie abenteuerlich die Winkelmessung in anspruchsvollem Gelände sein konnte, verdeutlicht ein Bericht des Ingenieurs Johannes Eschmann (1808 – 1852) über seine Arbeit am Piz Beverin Ende Juni 1835. Die Triangulation der Schweiz war für ihn alles andere als eine abstrakte mathematische Angelegenheit: 

«Gleich nach der Ankunft in Andeer (am 23. Juni) bestellte ich meine Karawane und bestieg noch den halben Piz Beverin. Den folgenden Morgen ging es anfangs über coupiertes Gelände bis an eine schroffe Feldwand. Auf einmal stellt sich das erste Problem ein: ein tiefer Trichter, an dessen innerer Fläche man auf kaum sichtbaren schiefen Fussstapfen horizontal gehen soll. Ein Fehltritt, und es gibt keine Gnade. Schon haben fünf Mann glücklich passiert, so stutzt der sechste, kündigt den Gehorsam auf und kehrt nach Hause zurück. Ich habe auch keine Lust zu dem Wagnis und schlage gemächlich einen, wie mir schien, bequemeren Weg ein. Nach vielen Mühen erreiche ich eine Anhöhe und sehe nahe bei mir das Signal. Ich erreiche es und suche mir eine Stelle, wo ich das Zelt hinstellen werde. Schon anderthalb Stunden auf dieser Höhe und ich sehe keinen meiner Träger kommen. Ich schreie mich heiser - keine Antwort. Endlich höre ich aus der Höhe mir zurufen, ich sei auf dem irrigen Weg. Ich antworte: ich bin nicht auf dem Weg, ich bin beim Signal, ihr Narren, kommt! Noch einige Laute - ich höre Niemanden mehr.

Nach einer Stunde taucht der Bergführer auf und erklärt, das sei nicht der Piz Beverin, das Signal sei von einem Hirten errichtet und ich solle mit ihm kommen. Wir steigen und steigen. Endlich sind wir auf der Spitze. Es war vier Uhr abends. Wir schlugen nun das Zelt auf und verabschiedeten die Träger, uns selbst und sechs Dutzend Eiern überlassen.

Ein nebliger Abend, die Nacht durch Schnee, den folgenden Tag Nebel, den zweiten ebenso. Der dritte Tag endlich gebar die Beobachtungen. Um zwölf Uhr mittags steige ich herunter, rutsche auf einer steilen langen Schneehalde aus, kann mich nicht mehr halten und rufe: es ist aus mit mir!, als mir plötzlich die Geistesgegenwart kommt, mich umzukehren, das Gesicht gegen den Berg, und mit den Schuhen rasche Tritte in den Schnee zu stechen - so war ich gerettet.

Noch am Abend erreiche ich Andeer. Im Dorf traf ich alle beim Tanzen an. Ich machte das Fest mit, und noch nie war ich fröhlicher gewesen als nach diesen Strapazen.»

[aus Rudolf Wolf: Geschichte der Vermessungen in der Schweiz. Zürich, 1879. 253-254]

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